Kerstins Geburtsbericht
Ein Sommer voller Heidelbeeren
Achtung, die Geburtsgeschichte ist länger als die sonst hier veröffentlichten Berichte. Aber es lohnt sich!
Triggerwarnung:
Kerstins Geburtsbericht handelt von einer Geburt, die nicht nur leicht war. Er zeigt aber sehr schön, wie du auch mit Unvorhergesehenem positiv umgehen kannst, so dass die Geburt, auch wenn sie nicht nach deinen Vorstelllungen verläuft, nicht zu einem traumatischen Erlebnis wird.
Die Schwangerschaft war schön und unkompliziert. Probleme gab es nur an den Tagen mit Ultraschall. Einmal meinte die Ärztin unser Baby hat kein Kleinhirn. Das zweite Mal dachte sie, die Plazenta sitzt zu nah am Muttermund, so dass eine spontane Geburt nicht möglich ist. Beides erwies sich als falsch.
Dann kam die Woche in der unsere beiden Kinder einen Magen-Darm Infekt hatten. Mika und Maya steckten das innerhalb eines Tages weg. Dann bekamen es Martin und ich und wir hatten wirklich damit zu kämpfen. Montag fing es an und wir lagen zwei Tage lang total flach. Mittwochs dachte ich, es ist besser. Aber am Nachmittag fing es wieder an und ich dachte es könnten auch Übungswehen sein, also hab ich meine Hebamme angerufen. Marliese hat mir die heissen 7 empfohlen und wenn es nicht besser wird, hätte sie auch ein Öl, das man sich auf den Bauch reiben kann.
Übungswellen
Die Kinder gingen früh ins Bett und ich hab es mir auf dem Sofa bequem gemacht und wollte mich erholen. Die Wellen waren immer noch da. Ich dachte ich nutze die Zeit und übe die richtige Atmung. So hab ich Welle um Welle veratmet und konnte ganz entspannt das WM Spiel Kroatien – England schauen. Martin kam auch sehr früh aus dem Stall und hat sich dazu gelegt. Wir haben uns unterhalten und Fussball geschaut. Da die Wellen nicht aufgehört haben hab ich in der Verlängerung beschlossen, mir das Öl bei der Hebamme zu holen. Sie hatte Vorbereitungskurs und ich wusste, bis ca. 23 Uhr werde ich sie in ihren Übungsräumen antreffen. Martin meinte noch, ob er mitkommen soll. Aber ich war der Meinung, ich bin in ’ner halben Stunde zurück und es ist besser, er bleibt bei den Kindern. So bin ich dann los.
Als ich aus dem Haus ging hab ich den Weizen gerochen und ich dachte noch: „Wie in meinem Geburtsplan, aber bis mein Baby kommt wird der Weizen längst geerntet sein.“
Doch keine Übungswellen
Durch die Hitze und die Trockenheit wurden alle Pflanzen sehr viel früher reif. Um 22:50 hab ich Martin die Whatsapp geschickt, dass ich gut angekommen bin. Marliese war etwas überrascht, dass ich da war und stellte dann fest, dass der Muttermund schon 8 cm geöffnet war und die Geburt mitten im Gange. Bis dahin dachte ich wirklich, es sind Übungswellen. Ich bin ja sogar noch selbst Auto gefahren …
Mit der Diagnose 8 cm und dem Wissen, dass das Wellen sind, hatte ich schlagartig Schmerzen. Ich hatte totale Panik und konnte nur noch denken: „Es ist viel zu früh.“
Marliese hat dann Martin angerufen und ihm die verschiedenen Optionen erklärt. Entweder sie fährt mich ins Krankenhaus und er kommt direkt dorthin – oder er fährt zu ihr und wir fahren zu dritt. In diesem Moment ist mir jedoch die Fruchtblase geplatzt. Dann gab es nur noch die Option mit dem Krankenwagen, da wir wussten dass das Kind nicht optimal liegt.
Der Geburtsplan
In meinem Geburtsplan wollte ich die Geburt ohne Martin. Nun waren aber andere Bedingungen und ich spürte, dass es besser ist, wenn er mitkommt. Er hat es dann auch noch schneller zur Hebamme geschafft als der Krankenwagen. In der Zeit zwischen dem Platzen der Fruchtblase und dem Eintreffen des Krankenwagens hatte ich keine Welle mehr und ich konnte meine Gedanken etwas sortieren. Der neue Plan war, auf jeden Fall das Krankenhaus zu erreichen, bevor das Baby kommt.
Die Fahrt ins Krankenhaus
Im Krankenwagen haben jedoch sofort die Presswehen eingesetzt und wir hatten das „Glück“, zwei nicht ganz so kompetente Rettungsassistenten zu haben. Diese haben uns gleich gesagt, sie wären noch nie bei einer Geburt dabei gewesen und in der Ausbildung haben sie das wegen fehlendem Dozenten auch nicht gehabt … Das Einzige was für den Assistenten im Wagen wichtig war, waren die Abstände der Wellen (vermutlich hat er das mal im Fernsehen gesehen). Ich hatte keine Ahnung in welchen Abständen die Wellen kamen und es war ja auch egal, da ich wusste es sind Presswellen. Ich wollte auf jeden Fall verhindern, dass der kleine Jorin im Krankenwagen kommt. Wehenhemmer hatten die beiden nicht dabei, also habe wir noch auf den Notarzt gewartet.
Ich hab Hypnobirthing nun dazu verwendet, die Geburt zu verlangsamen. Ich hab mir immer vorgestellt, dass alles fest verschlossen ist und in den Pausen hab ich mir vorgestellt, meine Muskeln sind total schlaff und entspannt. Ich habe ganz ruhig geatmet, um die Pause so lang wie möglich zu halten. Der Notarzt kam dann irgendwann. Die Wehenhemmer haben allerdings wenig gebracht. Während der Fahrt hat dann der nette Rettungsassistent auch noch die Trage gelöst, so dass ich damit sehr unsanft gegen Martins Sitz geknallt bin. Er meinte dann nur so wäre es für Martin besser, da er dann seinen Arm nicht so weit ausstrecken muss, sonst „bekommt er Rückenschmerzen“. Ich konnte es nicht lassen ihm zu antworten, dass mir das im Moment scheissegal ist …
Die Geburt
Endlich waren wir im Krankenhaus. Die Sanitäter haben dann noch drei mal den falschen Aufzug gewählt, bis der Notarzt dann den richtigen gefunden hatte. Marliese war auch schon da. Um 00.00 Uhr waren wir im Kreisssaal. Nach einem kurzen Ultraschall stand fest, dass es eine Beckenendlage (BEL) war und der Po war auch schon zu sehen. Nun hatten wir Glück, eine gute und erfahrene Ärztin erwischt zu haben, die mir gleich gesagt hat, ein Kaiserschnitt kommt nicht in Frage. „Noch zwei bis drei Presswehen und ihr Baby ist da.“, waren ihre Worte. Und sie hat während den Wellen auch nicht „pressen“ gesagt, sondern „schieben“.
Nach der zweiten Welle waren ihre Worte „Wir haben nicht die Zeit auf die nächste Welle zu warten. Schieben Sie ihr Kind einfach raus.“ So kam Jorin am 12.7.19 00.09 Uhr bei 32+5 auf die Welt.
Die Kinderärztin stand schon neben mir und hat ihn direkt mitgenommen. Wir habe ihn nicht mal gesehen. Ich kann gar nicht beschreiben wie ich mich gefühlt habe. Da war nur Leere in mir. Sogar die Sorgen ums Kind waren erst einmal weg. Da war einfach nichts mehr. Der Bauch war leer und auch die Gedanken. Ich war unfähig, irgendwas zu denken oder zu fühlen.
Problemlos kam dieses Mal auch die Plazenta und ich hab bei dieser Geburt sehr wenig Blut verloren. Auch hatte ich keine Geburtsverletzungen. Ich war körperlich topfit. Ziemlich schnell wurden wir auf ein anderes Zimmer verlegt. Die Ärztin kam nochmal und ich habe ihr für ihre Sicherheit gedankt. Dabei stellte sich heraus, dass sie sich gar nicht sicher gewesen war. Die Geburt war auch für sie eine Herausforderung gewesen.
Jorin sehen
Gegen 3.30 Uhr durften wir Jorin sehen. Da lag er im Brutkasten – klein und verletzlich. Arme und Beine waren schwarz wegen den Blutergüssen und überall waren Kabel, Schläuche und Maschinen. Da erst kamen die Gefühle und Sorgen zurück. Er sollte doch bei mir sein und nicht allein in diesem Kasten. Das war wirklich schwer zu ertragen. Wir durften ihn berühren, aber nicht streicheln, da Frühchen eine sehr empfindliche Haut haben und das Streicheln für sie unangenehm ist. Circa 10 Minuten später wurde ich aufs Zimmer gebracht und Martin fuhr nach Hause. Schlafen konnte ich nicht, zu wild waren die Gedanken. Am liebsten hätte ich sofort abgepumpt, aber die Schwester meinte, ich solle mich zuerst etwas ausruhen.
Die nächsten Tage
Am nächsten Morgen hat mir meine Schwester Kleider gebracht und ich konnte zu Jorin. Er lag in einem Zimmer mit drei weiteren Babys. Gegenüber war ein junges Pärchen, dessen Sohn ebenfalls bei 32+5 auf die Welt kam, aber schon eine Woche früher und mit erheblich mehr Kampfgewicht. Ausserdem hatten sie gewusst, dass eine Frühgeburt droht und deshalb hatte die Frau die Lungenreife gespritzt bekommen. Jorin hatte das alles nicht. Er wirkte so klein und verletzlich und unglücklich. Die ersten Tage hat er viel geschrien und ich konnte ihn nicht auf den Arm nehmen und trösten. Die Schwester meinte, er kommt noch nicht mit der Situation klar, nun schon auf der Welt zu sein. Wie sollte er auch. Wir kamen ja alle nicht klar damit.
Am Nachmittag durfte ich das erste Mal mit ihm „känguruhn“. Die Zeit war begrenzt und doch so kostbar. Zwei mal am Tag für 1,5 Stunden habe ich ihn bekommen. Meistens hat er geschrien und sich nicht beruhigen lassen. Zu Beginn hatte er Probleme mit dem Blutdruck und es stand im Raum, ob er noch eine Transfusion bekommt (eine hatte er direkt nach der Geburt). Die Schwester meinte aber, so lange ich da bin, ist es mit dem Druck besser. Deshalb hab ich die ersten Tage, als ich selbst auch noch im Krankenhaus lag, an seinem Bett verbracht. Da ich körperlich fit war, war das kein Problem.
Am dritten Tag abends wurde er von der Intensivstation auf die Neugeborenenstation verlegt. Es gab wohl diesen Sommer sehr viele Frühgeburten und Jorin war einer der stabilsten auf der Intensivstation, deshalb hat er Platz gemacht für die kritischeren Fälle. Bei allem was ich auf der Intensivstation gesehen habe, war ich dankbar dafür, dass Jorin zumindest 1700g hatte und bis zur 33. SSW drin geblieben ist.
Auf der Neugeborenenstation war dann erst einmal alles anders. Weniger Platz, andere Abläufe und vor allem nicht mehr diese intensive Betreuung. Statt zwei Säuglingen betreute hier eine Schwester acht Säuglinge. Deshalb war es nicht möglich Jorin zweimal pro Tag auf den Bauch gelegt zu bekommen, sondern nur einmal. Das hiess für uns wieder umstellen auf eine neue Situation. Zudem sollte ich am darauffolgenden Tag entlassen werden. Es hat sich für mich so angefühlt, als würde ich dadurch Jorin im Stich lassen.
Meine Entlassung
Dann kam der Sonntagmorgen. Der Tag der Entlassung. Das machte mir wirklich schwer zu schaffen. Doch gleich am Morgen schickte Martin mir per Whatsapp ein Bild, das meine Gefühlswelt wieder etwas gerade rückte. Auf dem Bild war ein Wassereimer der Pferde, in dem ein Frosch sass. Für mich wichtig war aber etwas anderes. Ich weiss noch ganz genau, wie ich diesen Schuh gesehen habe. Mayas Schuh war in einem Eck zu sehen. Sie war wohl mit im Stall und hat den Frosch entdeckt. Da habe ich erst einmal realisiert, wie sehr mir Maya und Mika fehlen, und dass es ein Leben ausserhalb des Krankenhauses gibt. Zum ersten Mal hatte ich beim Gedanken daran, heim zu gehen, nicht mehr diese Schuldgefühle, sondern Freude und das Wissen, dass es zuhause auch wichtige Aufgaben für mich gibt.
Am Sonntag um die Mittagszeit habe ich dann Jorin noch einmal auf die Brust bekommen und zum ersten Mal hat er nicht geschrien, sondern sich an mich gekuschelt und friedlich geschlafen und ich habe ihn auch gestillt. So hatte ich wirklich das Gefühl, es ist ok wenn ich nach Hause gehe.
Immer wieder Hochs und Tiefs
Die nächsten 5 Wochen waren geprägt von vielen Hoch und Tiefs. Jorin trank zuerst gut an der Brust und auch aus der Flasche, entwickelte aber nach einigen Tagen eine sehr ausgeprägt Trinkschwäche und wurde längere Zeit nur über die Sonde ernährt. Das war hart für mich. Ich hatte das Gefühl, als würde er gemästet, wie eine Weihnachtsgans. Seine Solltrinkmenge wurde sehr schnell nach oben gesetzt. Das ist wohl wichtig, damit sich das Gehirn richtig entwickelt. Für mich hat es sich trotzdem falsch angefühlt. Er hatte überhaupt keinen Hunger und ich hatte immer das Gefühl es quält ihn, wenn sie ihn sondieren. Die Schwestern haben mir erklärt, dass das viele Frühchen haben, und dass er irgendwann von alleine trinkt.
Meine Hebamme hat mir gesagt, dass es auch sein könnte, dass er sich ganz an das Sondieren gewöhnt und gar keine Lust mehr hat selbst zu trinken. So wollte ich auf keinen Fall warten, ob er von alleine wieder trinkt und habe meine Schwester um Hilfe gebeten. Sie hat ihn ausgetestet und es kam heraus, dass er Schuldgefühle hat. Sofort fiel mir ein, dass ich mehrmals zu ihm gesagt habe, dass es eine blöde Idee war so früh raus zu kommen. Auch die Schwestern haben immer gesagt: „Wärst du drin geblieben, müsstest du das alles noch nicht selbst machen.“ …
Für Jorin und für mich gab es Bachblüten – für mich die Version mit „Annehmen und Loslassen“ (Walnut und noch irgendetwas), für Jorin gab es die Version für (oder gegen?) Schuldgefühle (Pine). Ausserdem sollte ich diese Schuldgefühle ablösen, indem ich ihm Nacken und Stirn halte und ihm sage, dass es gut ist wie es ist und er alles prima meistert und wir ihn lieben. Das habe ich am nächsten Tag gemacht, kurz bevor ich gegangen bin. Seither habe ich beim Ablösen (also wenn ich es z.B. beim Pferd gemacht habe) nie etwas gespürt oder gemerkt. Bei Jorin war es ganz eindeutig. Ich habe die Ablösung gemacht, als er geschlafen hat und ich im Gehen war. Sein ganzer Körper hat sich angespannt und er hat sehr lange gewimmert im Schlaf. Die Unterlippe hat gezittert und trotzdem sah er irgendwie erleichtert aus. Es hat auch relativ lange gedauert, bis seine Reaktion nachgelassen hat und er wieder ruhig da lag.
Als ich am nächsten Tag kam, hat mich die Schwester freudig empfangen und erzählt, Jorin könnte jetzt die Hälfte seiner Menge selbst trinken. Von da an ging es steil bergauf. Von meiner Hebamme habe ich einen Medela Sauger bekommen, der der Brust sehr ähnlich ist und einen Feeder. An der Brust konnte er so schon am nächsten Tag die komplette Menge selbst trinken. Am 5.8. (Mayas Geburtstag) hat er die Sonde entfernt bekommen und am 14.8. wurde er entlassen.
“Wäre ich noch einmal schwanger, wäre Hypnobirthing wieder meine erste Wahl für die Geburt. Und auch sonst nutze ich es gerade häufig in meinem Leben.“
Trotz Widrigkeiten letztlich gut
Ganz am Anfang im Krankenhaus hat eine Schwester zu mir gesagt, ich solle die ruhigen Nächte geniessen. Ich fand das total doof und hab geantwortet, dass ich lieber mein Kind bei mir hätte und dafür nicht ruhig schlafen, da hat sie geantwortet, dass sie das weiss, aber dass ich die Situation im Moment nicht ändern könne und deshalb auch einfach alle „Vorteile“, die die Situation mit sich bringt, genießen könne. Und sie hatte Recht. So hab ich das dann gemacht.
Ab der 2. Woche hatte ich eine Haushaltshilfe, die total gut war und vor allem super mit Mika und Maya zurecht gekommen ist. So war ich morgens von 6 – 13 Uhr im Krankenhaus. Das war vermutlich mehr Zeit, als ich zuhause für Jorin gehabt hätte. Ich hab sie so genossen. Dort gab es nur uns zwei. Ab dem Zeitpunkt, als er vom Brutkasten ins Wärmebettchen kam, durfte ich ihn raus nehmen, wann immer ich wollte und ich hatte ihn stundenlang auf meinem Bauch. Ich hab dabei zwei Bücher gelesen, gedöst, mit ihm gekuschelt und es war so schön, trotz allen Widrigkeiten.
Ich hab mir sogar den Luxus gegönnt täglich eine Kaffeepause (mit Croissant ;-)) einzulegen und für den nach Heimweg habe ich immer zwei Schälchen Heidelbeeren gekauft. Eine habe ich gleich gegessen während der Fahrt und eine war für zuhause. Maya und Mika mögen sie ebenfalls so gerne. Da die Haushaltshilfe auch den Haushalt geschmissen hat, habe ich den Nachmittag komplett für die beiden Grossen gehabt.
Ich hab mir die Geburt so nicht vorgestellt und ich würde sie so auch nicht mehr wollen, aber ich weiss und ich bin mir sicher unter allen Umständen haben wir das Beste daraus gemacht und es ist gut geworden. Jorin ist ein kleiner Sonnenschein. Er lacht viel, ist zufrieden, kuschelt gerne und ist einfach ein ganz tolles Kind. Jeden Tag denke ich „ genau dieses Kind hat uns noch gefehlt“. Die beiden Grossen vergöttern ihn auch total und er freut sich immer, wenn er sie sieht. Meinen Mann und mich hat diese Geburt noch mehr zusammengeschweisst, denn wieder einmal hat sich gezeigt, in Notsituationen können wir uns blind aufeinander verlassen. Genauso wie unsere Familien, die sofort zur Stelle waren, als wie Hilfe brauchten.
Wenn ich jetzt zurückblicke und einen Titel für die Geburt finden sollte, so würde mir als erstes „ein Sommer voller Heidelbeeren“ einfallen.
Im Abschlussbericht habe ich gelesen, wie schlimm es wirklich um Jorin bei der Geburt stand. Er hat nicht geatmet und auch sein Herzschlag war sehr schwach. Sie mussten ihn die ersten Stunden beatmen und er hatte eine schwere Azidose. Bis wir ihn gesehen haben, hatte er allerdings nur noch einen Sauerstoffschlauch, um ihm beim Entfalten der Lunge zu helfen. Zu Beginn habe ich oft gedacht: Wie wäre es ohne Hypnobirthing gewesen? Hätte ich früher erkannt, dass es keine Übungswellen sind, sondern ich mich bereits in der Eröffnungsphase befinde? Hätte man die Geburt dann noch aufhalten können? Ist Hypnobirthning vielleicht nicht immer nur positiv anzusehen?
Nachdem ich den Entlassungsbrief gelesen habe, weiss ich, Hypnobirthning hat Jorin eine reelle Überlebenschance gegeben. Vom Eintreffen im Krankenhaus bis zu Jorins Geburt sind gerade mal neun Minuten vergangen. Ohne Hypnobirthning wäre Jorin sicher im Krankenwagen zur Welt gekommen und dort wären die Möglichkeiten ihn zu intubieren wesentlich schlechter gewesen. Ob es die im Krankenwagen überhaupt gegeben hätte, weiss ich nicht. Den Sanitätern hätte ich das gar nicht zugetraut und der Notarzt hatte sicher auch nicht die Erfahrung mit so kleinen Säuglingen, wie es die Ärzte im Krankenhaus gehabt haben. Meine Hebamme meint, dass es gut war, dass wir so spät im Kreisssaal eingetroffen sind, denn sonst hätte es auf jeden Fall einen Kaiserschnitt gegeben bei BEL und 33. SSW.
Man merkt Jorin die Frühgeburt noch etwas an. Er ist kleiner und zarter als andere 4,5 Monate alte Kinder. Aber ich denke, dass ist völlig normal. Er hatte ja bei der Geburt auch 2 kg und 10 cm weniger als reifgeborene Säuglinge. Auch greift er noch nicht und dreht sich nicht, aber das sehen wir auch entspannt. Sicher, es kann keiner sagen, wie er sich weiterentwickelt und ob er doch einen Schaden davon getragen hat. Aber wenn ich ihn ansehe, denke ich immer, alles ist gut. Er braucht einfach etwas Zeit und die darf er gerne haben. Momentan sind wir beim Osteopathen in Behandlung, da er (durch die Frühgeburt, die BEL und die Azidose) einige Blockaden und enorme Muskelverspannungen hat, aber es löst sich mit jeder Behandlung etwas und wir können jedes Mal weitere Fortschritte erkennen.
Wäre ich noch einmal schwanger, wäre Hypnobirthing wieder meine erste Wahl für die Geburt. Und auch sonst nutze ich es gerade häufig in meinem Leben, z.B. beim Reiten. Durch Jorin’s frühe Geburt konnte ich dieses Jahr noch drei Turniere reiten. Bei fünf Starts konnten wir vier Schleifen mit nach Hause bringen, darunter auch ein Sieg und das nach einer 3-jährigen Pause.
Ganz oft musste ich am Anfang – vor allem am Morgen nach der Geburt – an Deine Geschichte denken, die Du mal in der Gruppe geteilt hast. Die Geschichte, als ihr in euer Ferienhaus in Finnland gekommen seid und den Wasserschaden entdeckt habt und das hat mir so geholfen, nicht im Jammern stecken zu bleiben, sondern zu schauen wie es weiter gehen kann.
Danke dafür.